Einige Eindrücke vom Spitalalltag

Damit ich Einblick in alle Bereiche erhalte, durfte ich nach rund 2 Wochen von der Surgical Ward auf die Medical Ward rotieren.
Die Arbeit mit den Students ist geblieben. Auch hier gibt es meist deutlich mehr als genug Students. Ich habe mir zum Spass gemacht, diese etwas zu fordern, und ihnen täglich etwas neues beizubringen. Die ersten Tage war das die korrekte Bezeichnung der Einheiten bei den Vitalparametern (Blutdruck, Puls und Temperatur), die haben doch sehr viele nicht gewusst. Nun bin ich beim Medikamentenwissen angekommen. Hier werden die Medikamente ganz selbstverständlich von den Erstjahres-Students verteilt, und dies anscheinend ohne jegliches Wissen zu den jeweiligen Medikamenten. Bei den meisten Medikamenten handelt es sich entweder um Antibiotika, fiebersenkende Medikamente oder auf der Medical Ward auch um „Blutdruck-Medis“.
Auf dem ersten Foto seht ihr Bodo auf der Visite umringt von Students. Die Students sind hier erkennbar an ihrer „Zebrakleidung“. Die Streifen auf den Hauben zeigen, in welchem Jahr der Ausbilung sie sich gerade befinden. Diese hier sind alle im ersten Jahr. (Übrigens, die Männer haben die Streifen auf ihren Schulterklappen.)

Auf dem zweiten und dritten Foto wird die Lagerung von den i.v. Medikamenten gezeigt. Beschriftet werden weder Anbruchdatum noch die Dosierung. Ich habe mal versucht dies anzufangen, sowie die Nadeln nach Beendigung der Medikamentenrunde zu entfernen.

Da gerade keine grossen Röntgenfilme mehr vorhanden sind, diese sind zur Zeit o/s (= out of Stock), wurde der Röntgentechniker kreativ und hat kurzerhand den Thorax mit 2 kleineren Filmen belichtet.

Aus einem Männerzimmer wird wegen Platzmangel mal rasch ein Frauenzimmer gemacht. Anscheinend ist dies bereits länger so…

Und zuletzt ist ein Bett selber etwas arbeitsmüde geworden…







Lebensenergie

Dass es kulturelle Unterschiede in den Bräuchen und Wahrnehmungen gibt, ist nichts Ungewöhnliches. Das offensichtlichste ist wohl die unterschiedliche Kleidung in unterschiedlichen Kulturkreisen, das delikateste vermutlich die Einstellung bezüglich Familienplanung.


Auf einer morgendlichen Visite traf ich auf einen bewusstlosen, etwa 50-jährigen Patienten, der mit Sauerstoff behandelt wurde. Dies ist ein aussergewöhnliches Bild, da die Installation der wenigen Sauerstoffkonzentratoren eher aufwendig ist. Ausserdem funktionieren diese Geräte nur mit Netzstrom und sind nicht über die Solar-Anlage zusätzlich abgesichert. Ein Stromausfall gibt einem kritisch Kranken dann leicht den Rest.


Die Aufnahme-Diagnose orientierte sich an der vorbekannten Anamnese und lautete auf Alkoholintoxikation. Der Patient war mehr als einen Tag zuvor bewusstlos aufgefunden worden, was prognostisch nicht ideal ist. Zum Zeitpunkt der Visite war er GCS 6-7 (angedeutete Lokalisation auf intensive Schmerzreize), hatte mittelweite isocore Pupillen und zeigte einen eindrücklichen Meningismus. Die passive Beugbarkeit des Nackens betrug etwa 10% mit hartem Anschlag, bei der Hüftbeugung waren es beidseits etwa 20%. Bei dem Verdacht auf eine Meningitis verordnete ich dem Patienten Ceftriaxon und Dexamethason. Ausserdem machte ich mir Gedanken über die Durchführung einer Lumbalpunktion zur Liquorgewinnung, wie ich sie in Europa zügig angestrebt hätte.


Ich zog einen lokal erfahrenen ärztlichen Kollegen zu Rate, der hinsichtlich Lumbalpunktion eher zurückhaltend war. In der lokalen Bevölkerung sei der Glaube verbreitet, dass im Liquor die Lebensenergie eines Menschen gebündelt sei. Diese Ansicht werde auch von den meisten Naturheilern und „Whitch Doctors“ verbreitet. Man befürchte daher, dass einem Kranken bei der Abnahme von Liquor auch die Lebensenergie entzogen werde. Man müsse eine Lumbalpunktion daher solide mit der Familie vorbesprechen und sich deren expliziten Einverständnisses versichern. Zu diesem Zweck nahmen wir den Patienten gemeinsam in Augenschein, wo er mir klar mit der folgenden Argumentation von der Empfehlung einer Punktion abriet: „Wenn ein Patient hier wegen einer Mengitis so schwer krank wird, dass er bewusstlos wird, wacht er nicht mehr auf. Unabhängig davon, was man tut. Wenn man ihn jetzt lumbal punktieren würde, würde es danach heissen, vorher ging es ihm noch gut, er konnte sogar selbst atmen. Aber dann kam der Arzt und hat ihm die Lebensenergie entzogen…“

Das Foto zeigt einen repräsentativen Blick in einen der Innenhöfe des Spitals.

Einstieg in die Pflege

Nachdem Bodo nun bereits etwas länger im Spital mitarbeitet und aktuell die medizinische Abteilung übernommen hat, konnte auch ich letzte Woche mit Arbeiten beginnen.

Lio versteht sich gut mit unserer Haushälterin Beatrice, geht mit ihr zusammen auf den Markt, hilft im Haushalt und beim kochen oder spielt mit ihrer Tochter Enala, welche ca 6 Monate älter ist.

Es ist ein schönes Bild, wenn beim heimkommen am Mittag zwei fröhliche, lachende und kreischende Kinder auf einen zugerannt kommen.

Nun konnte ich mich die letzten eineinhalb Wochen auf der Surgical Ward (Chirurgischen Abteilung) einarbeiten und einen Einblick erhalten. Ich arbeite halbtags (was fast einer kompletten Frühschicht entspricht), und geniesse den Nachmittag jeweils zuhause mit Lio.

Die Arbeit ist, wie zu erwarten, komplett anders als in der Schweiz. Pro Abteilung arbeitet jeweils pro Schicht eine ausgebildete Pflegefachperson mit gefühlt unendlich vielen „Students“ zusammen. Diese Students haben je nach Ausbildungsstand ganz unterschiedliches Wissen und Können.
Die klassischen Aufgabengebiete wie Vitaldaten erfassen, Medikamente verteilen, Verbandswechsel, Blutentnahmen, Teilnahme an der Visite, Bett herrichten, Bestellungen von Medikamente und Material, usw. werden hier je nach Motivation der ausgebildeten Pflegefachperson entweder von den Studenten alleine, unter Aufsicht, oder von der Pflegefachperson selber durchgeführt.

Die ersten 2 Fotos zeigen den Prozess des Medikamentenverteilens, anschliessend ein bekanntes Krankheitsbild hier „Cellulitis“ sowie der fertige Verband:

Handwerkskunst

Dass es häufig direktere Wege zum Ziel gibt als die gewohnten, ist bekanntlich nichts neues. Dieser Sachverhalt wurde uns aufs Neue vor Augen geführt, als durch den technischen Dienst des Spitals der Schweisser aufgeboten wurde, um eine Sicherung für unsere Eingangstür zu konstruieren. Direkt nach dem Ende eines der gelegentlichen Stromunterbrüche stand er mitsamt seinem Material vor ebendieser Tür. Das beeindruckendste war ein extrem schwerer Transformator. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt…


Definitiv getoppt wurde es, als ich den Schweisser fragte, ob er eine Steckdose benötige. Er winkte routiniert ab und zeigte auf den offenen Sicherungskasten an der Wand. Er zwirbelte die offenen Enden seines Verbindungskabels und steckte die offenen Enden zielstrebig an passende nicht-isolierte Leiter im Sicherungskasten. Dem geübten Beobachter mag auffallen, dass die gewählte Anordnung sämtliche Sicherungen umgeht. Die ersten Funken flogen bereits.

Das tiefe Brummen des Transformators, an dessen Verbindungsstellen ebenfalls vereinzelte Funken flogen, erinnerte entfernt an den Todesstern bei Krieg der Sterne, genauer an die Zerstörung Alderaans. Natürlich erzeugte der zielstrebige und zügig ablaufende eigentliche Schweissprozess ebenfalls beeindruckende Funken, an dieser Stelle waren sie aber auch eher erwartet.